Die strategische Lage der Ostsee und die bewegte Geschichte Anrainerstaaten lassen darauf schließen, dass das Gebiet schon früh besiedelt wurde.
Entwicklung von Völkern und Sprachen im Ostseeraum
Der Ostseeraum mit seinen heutigen Nationalstaaten hat eine lange Geschichte mit engen kulturellen und politischen Verflechtungen über die gesamte Region hinweg.
Dass die Ostsee immer wieder im Mittelpunkt heftiger historischer Ereignisse gestanden hat, kann man vor allem auch aus den häufig wechselnden Namen von Ländern und Orten entnehmen.
Römisches Reich und Germania
Dies wird besonders deutlich, wenn man sich alte Landkarten ansieht. Zur Blütezeit des Römischen Reichs schien die Welt am Grenzwall „Limes“ aufzuhören. Alles Gebiet nordöstlich davon erschien als riesiger leerer Raum mit der Bezeichnung „Germania“ südlich des „Mare Suebicum“ (heute Ostsee). Von den Römern völlig unberührt geblieben, erschreckte das Nordgermanentum nach dem Zerfall des Römischen Reichs durch Seetüchtigkeit, kriegerische Härte und grausame Plünderungssitten mehrere Menschenalter in ganz Europa.
Vorstoß der Normannen
Die Normannen, die als die gefürchteten „Wikinger“ in die Geschichte eingegangen sind, waren es auch, die von Schweden aus das Land der Ostslawen bestürmten. „Waräger“ nannten sich diese Skandinavier, und das Gebiet um Kiew (damals „Känugard“) hieß im 9. Jahrhundert denn auch „Waräger-Reich“.
Ostsee-Völker im 9. Jahrhundert
Auf einer alten Karte, die Europa im 9. Jahrhundert darstellt, sind die Gebiete um die Ostsee mit den Namen von Volksstämmen versehen: Finnen (heute Südfinnland), Esten (heute Estland), Letten (heute Lettland), Kuren und Litauer (heute Litauen), Pruzzen (heute Kaliningrad und Polen), Slawen (heute Polen und die deutsche Ostseeküste), Dänen (heute Dänemark), Göten (heute Südschweden,) Sweonen (heute Mittelschweden) und Lappen (heute der Norden von Norwegen, Schweden und Finnland).
Vom „Mare Suebicum“ zur Ostsee
Die bei den Römern gängige Bezeichnung „Mare Suebicum“ ist vermutlich dem Volk der Sueben zuzuschreiben. Die Sueben waren eine Gruppe westgermanischer Stämme in Mitteldeutschland, die im 1. Jahrhundert v. Chr. nach Südwestdeutschland vordrangen. Zu ihren Hauptstämmen zählten die Semnonen, die Markomannen, die Hermunduren und die Quaden.
Später galt international die Bezeichnung „Mare Balticum“ nach den baltischen Stämmen, die allerdings zum Großteil seit der Eroberung der Gebiete durch den Deutschen Orden im ostpreußischen Deutschtum aufgegangen sind, und den Balten, der deutschen Volksgruppe des Baltikums seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die Bezeichnung „Ostsee“ ist hingegen eine spätere Erfindung, vermutlich in Anlehnung an die Nordsee bzw. als Gegenstück dazu.
Sprachen und Bündnisse
Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass der Ostseeraum nach der letzten Eiszeit erst von Germanen und dann von Slawen besiedelt worden war. In der Folge gingen viele Stämme der Germanen, Slawen und Balten ineinander auf. Es entwickelten sich die germanischen und slawischen Sprachen, die über einen gemeinsamen indogermanischen Sprachstamm verwandt sind, und finno-ugrische Sprachen. In den folgenden Jahrhunderten wechselten sich verschiedene Großreiche wie die der Wikinger, Franken, Dänen, Schweden, Russen ab. Auch entstanden immer wieder Bündnisse, wie etwa die Hanse im Mittelalter oder die Europäische Union in unserem Jahrhundert.
Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert
Zuerst beherrschten die Wikinger, Franken und Slawen den Ostseeraum. Im 11. und 12. Jahrhundert übernahm das Dänische Königreich die Vorherrschaft. Dieses wurde im 13. Jahrhundert durch den Aufstieg der Hanse abgelöst. Ebenfalls im 13. Jahrhundert gab es aber durch den Deutschen Orden eine einschneidende Veränderung im Ostseeraum.
Der Deutsche Orden
Der Deutsche Orden übte auf den Ostseeraum einen Einfluss besonderer Prägung aus. Dieser auch als „Deutschherren“ bezeichnete Ritterorden wurde Ende des 12. Jahrhunderts in Judäa im Rahmen der Kreuzzüge gegründet. Allein schon die Tracht des Ordens war eindrucksvoll: weißer Mantel mit schwarzem Kreuz. Der Orden begann 1226 unter dem Hochmeister Hermann von Salza die Christianisierung Preußens, dessen Eroberung bis 1283 vollendet war. Seit 1237 herrschte der Orden auch über Livland und Kurland, dann Estland und Litauen. Der Höhepunkt seiner Herrschaft war die Zeit des Hochmeisters Winrich von Kniprode (1351 bis 1382). Der Orden wurde erst 1809 durch Napoleon aufgehoben. Die meisten baltischen Stämme, darunter die Kuren und Pruzzen, gingen nach der Unterwerfung durch den Deutschen Orden im ostpreußischen Deutschtum auf.
Livland war eine geschichtliche Landschaft im Baltikum, die seit dem 13. Jahrhundert unter der Herrschaft des Deutschen Ordens stand und 1918 zwischen Estland und Lettland aufgeteilt wurde. Kurland war ebenfalls die Bezeichnung einer historischen Landschaft im heutigen Lettland. Der Name geht auf die baltischen Kuren zurück. Die vom Deutschen Orden im 13. Jahrhundert eroberte Hauptstadt war Mitau (heute „Jelgava“).
Vom 16. bis zum 20. Jahrhundert
Anfang des 16. Jahrhunderts stieg Schweden nach dem Zerbrechen der Kalmarer Union zur Großmacht auf. Nach den nordischen Kriegen um 1700 übernahm dann das russische Zarenreich die Vorherrschaft in der Ostseeregion. Nach dem 2. Weltkrieg kam es zu einer Jahrzehnte währenden Trennung der Ostseeregion. Seit der Auflösung der Sowjetunion wächst die Ostseeregion, vor allem durch die EU-Osterweiterung kulturell, wirtschaftlich und politisch wieder enger zusammen.
Der Ostseeraum heute
Heute haben die Nationen der Ostsee scheinbar zu einem regionalem baltischen Gemeinschaftsbewusstsein gefunden, das hauptsächlich durch wirtschaftliche Erwartungen angetrieben wird. Während großräumige Partnerschaften und Zusammenschlüsse in der Vergangenheit (mit Ausnahme der Hanse) nur Teilräume des Ostseeraums umfassten, gibt es heute eine Vielzahl von Initiativen, die auf den Gesamtraum ausgerichtet sind. Neben der Zusammenarbeit auf Regierungsebene in Form des Ostseerats haben sich auch vielfältige kommunale Kontakte ergeben. So haben sich beispielsweise die größeren Ostseestädte zur „Union of the Baltic Cities“ organisiert. Auch finden regelmäßig Kunst- und Jazzfestivals statt. Die Ostseeregion rückt also nicht nur politisch und wirtschaftlich näher zusammen, sondern es findet auch eine kulturelle Annäherung statt.